O v e r a t h. Sonst flüstern nur die Gastwirte und Automatenbesitzer verstohlen über den Puderbacher Wilhelm Borns, der die Spielautomaten leert. Nachdem aber vor einigen Wochen eine deutsche Illustrierte die Spielfähigkeiten des westdeutschen Automatenschrecks in einem Exklusivbericht eingehend gestestet hatte, war der Name Borns in aller Munde. Vor allem aber die Automatenaufsteller hatten sich noch intensiver als zuvor mit dem Könner Borns befaßt. Einer unter ihnen zweifelte ganz entschieden an den Fähigkeiten des ,,Genies" Borns: Automaten-Müller. Von seinen Freunden kurz Charly genannt und durch seine Eskapaden zu immer neuen und außergewöhnlichen Ideen überall bekannt, hatte er dem Berufsspieler aus dem Westerwald ein sensationelles Angebot gemacht:
Die Wette
Auf dem Bild werden die "Wettkampfgeräte" von einen Techniker auf Herz und Nieren geprüft. Zu erkennen sind die Wulff- Automaten Additor, Duplomat und Rialto.
Zwanzig Automaten stellte Karl Müller am Samstag von 9 bis 21 Uhr im Hotel "Bergischer Hof" in Overath dem "Automatenschreck" zur Verfügung. An ihnen sollte dieser sein Können demonstrieren. Aber nicht umsonst! Der Besitzer von weit über 400 Automaten aller erdenklichen Sorten stellte für jeden leergespielten Apparat eine Leistungsprämie von genau 100 DM in Aussicht. Außerdem konnte Borns zusätzlich noch die Groschen seinem Konto gutschreiben, die er bei dem "Automatenkampf" gewann.Die Kunde über das bevorstehende "Automatenduell" hatte sich kaum verbreitet, da wurden schon Wetten auf den Sieger abgeschlossen. Einige wollten sogar ihren letzten Pfennig auf die ihrer Meinung nach zuverlässigen Automaten setzen; die anderen jedoch sympathisierten mit Borns.
Der Herausforderer
Gute Miene zum bösen Spiel machte Karl Müller vor der Auseinandersetzung. Obwohl er vorher felsenfest davon überzeugt war, daß Borns nichts gewinnen werde, wurde er von Minute zu Minute unruhiger. Das Foto zeigt den Geldtisch. Foto: Weyers
Schon als 18jähriger junger Mann machte Karl Müller sich kurz nach seiner Kaufmannslehre selbständig. Nicht als Automatenaufsteller, sondern vorerst noch als Reisender. Mit Bauchladen und Schnürsenkeln zog er von Haus zu Haus, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Bei Wind und Wetter strampelte er mit dem Fahrrad durch den gesamten Siegkreis und den Rheinisch- Bergischen Kreis. Es kam damals nicht selten vor, daß er vor Enttäuschung über zugeschlagene Türen heulte und nicht einmal genug Geld besaß, um sich etwas Eßbares zu kaufen. Mit Geschick und Initiative gelang es ihm aber, über die schwere Zeit hinwegzukommen. Er baute sich im Laufe von vierzehn Jahren ein Unternehmen auf, das in der Automatenbranche als das größte im Bezirk gilt. Bevor es jedoch soweit war, hatte auch Müller, wie sein Kontrahent Borns, geschäftliche Schwierigkeiten gehabt. Immer wieder krabbelte er sich jedoch empor und kann sich heute zu den sogenannten "Neureichen" zählen. Besonderen Schwierigkeiten begegnete er mit Sturheit und angeborener Bauernschläue. Zehn Jahren, pilgerte Charly Müller als "billiger Jakob" durch die Lande. Auf jeder großen Kirmes lockte er die Leute an. Riesige Menschenmengen drängten sich vor seinem kleinen Stand und ließen sich "bequatschen". Heute kann er leider nicht mehr hinter der Theke seines Verkaufstandes stehen. Aus Platzmangel - Müllers Wirtschaftswunderfigur läßt es nicht mehr zu. Die besten Freunde drückten auch am Samstag die Daumen, damit Müller die abgefüllten und auf einem Tisch gelagerten 20 Geldsäckchen wieder mit nach Hause nehmen konnte. Daß er auch seine Schwächen nicht verbergen will, bewies eine Tatache, die die Lacher auf seine Seite brachte. Vor einigen Monaten hatte Karl Müller Freunden und Bekannten, ja sogar Zeitungsredaktionen und einigen Fernsehstudios einen Gruß aus Kölns bekanntem Gefängnis, dem Klingelpütz, gesandt. Grund seines "Erholungsurlaubes" war ein Verkehrsdelikt. Damals fuhr der Automatenaufsteller mit seinem schweren amerikanischen Straßenkreuzer biertrunken durch die Lande. Ohne Unfall steuerte er seinen Wagen nach Hause, wo ihn einige Stunden später die Polizei zur Blutprobe aus dem Bett holte.
Der Automatenschreck
Dieser erste "Geldsegen" erzeugte prickelnde Spannung unter den zahlreichen Zuschauern.®-Foto
Wilhelm Borns ist kein Neuling auf dem Automatenmarkt. Vor seinem Beruf als Automatenschreck und sofort nach Kriegsende stellte er - Automaten auf. Dabei ging er pleite! Seine Lehre aus diesem geschäftlichen Mißerfolg: Jetzt steht er nicht mehr als Besitzer hinter den Automaten, sondern als Spieler vor ihnen. Recht interessant ist überhaupt der Mensch Borns. Schon mit 15 Jahren verkaufte er seine erste Erfindung. In einem Alter, in dem sich andere noch mit Spielzeuggeräten beschäftigen, konstruierte er schon eine Rechenscheibe. Heute gehört auch das Klappern zu seinem Handwerk. Selbstverständlich ist das Purzeln und Klimpern der Groschenstücke nicht Musik in den Ohren der Wirte, dafür um so mehr in den Ohren des Wirtshausbesuchers. Für sie bedeutet das Auftauchen von Borns, der sein Hauptarbeitsgebiet zwischen Neuß und Neuwied hat, prickelnde Atmosphäre. Gespannt verfolgen sie, wie Borns, meistens gleichzeitig an zwei Automaten spielend, Geld gewinnt. Obwohl Gäste, Wirte und andere nebenberufliche Automatenspieler genau zuschauen, konnten bisher keine unrechten Dinge beobachtet werden. Keinerlei Tricks oder geheimer Systeme bedient sich Wilhelm Borns. Einzig allein seine Reaktionsfähigkeit erlaubt dem geduldig und konzentriert arbeitenden Spieler, Automaten zu überlisten und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen Und noch nicht einmal wenig. An guten Tagen hamstert ,.Wilhelm" bis zu 200 Mark. Nicht nur zeitraubend ist Borns Beruf, sondern auch anstrengend. Um überhaupt zu diesen unwahrscheinlich anstrengenden Geldsummen zu kommen, wandert er dorthin, wo die Automaten noch nicht leer sind. Ziel seines neuen Berufes ist die Erfüllung seines Wunschtraumes: Später einmal nur noch Erfinder zu spielen, aber erst dann, wenn er die Schulden seiner Pleite abgezahlt hat und er außerdem noch durch seine "Spielerei" reich geworden ist.
Das Ergebnis
Obwohl "Berufsspieler" Wilhelm Borns (54) vorher seine Zusage gegeben hatte, an jedem beeinflußbaren Spielautomaten sein Geld zu hamstern, machte er zuerst Einwände. Ihm gefielen die vom Automatenaufsteller als Initiator dieses einmaligen Kräftevergleiches ausgesuchten Automaten nicht. Nach zwei Stunden Überredung spielte Borns doch. Mit dem ersten Groschen gab es sofort einen Markgewinn. Es blieb aber nicht dabei! Kurz vor sechs Uhr abends streckte der "Automatenknacker" die Waffen, jedoch nicht, bevor er drei Spielgeräte geleert hatte und die Leistungsprämie von 300 DM kassiert hatte. Das gewonnene Geld hinzugerechnet, erzielte Borns zusammen etwa 330 DM bei diesem "Spielchen".
Anmerkung: Dieser Beitrag basiert auf einen Sonderdruck aus der Kölnischen Rundschau/Bergischen Landeszeitung vom 23. 08. 1965.
Im Spiegel vom 7. April 1954 erschien zum Thema der Artikel " Die Lohntütenschlucker". Link zur PDF.